Erwerbsunfähigkeit in der privaten Unfallversicherung
Für viele Verbraucher ist in erster Linie die Gefahr der Erwerbsunfähigkeit einer der Beweggründe, warum überhaupt an die Vorsorge gedacht wird. Gerade, wenn Nachwuchs erwartet wird oder Familien von einem Einkommen abhängen, wären deren Folgen erheblich und finanzielle Verluste vorprogrammiert. Welche Rolle spielt die Erwerbsunfähigkeit in der privaten Unfallversicherung aber überhaupt und wie gestaltet sich deren Position in Bezug zu anderen Vorsorgeinstrumenten?
Generell sucht man die Erwerbsunfähigkeit in der privaten Unfallversicherung als Leistungsbestandteil vergeblich, hier wird ausschließlich die ärztlich festgestellte Invalidität berücksichtigt. Im Vergleich zum gesetzlichen Gegenstück zwar offensichtlich ein Vorteil, kann sich diese Tatsache allerdings zu einem Nachteil entwickeln.
Private Unfallversicherung vs. gesetzliche Vorsorge
Obwohl beide – gesetzliche wie private Unfallversicherung – in der Definition des Leistungsfalles teilweise starke Ähnlichkeiten erkennen lassen, ist die Herangehensweise an die Leistungen letztlich von erheblichen Unterschieden gekennzeichnet. So spielt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Erwerbsunfähigkeit nicht nur als Begriff, sondern auch als Leistungsgrundlage eine immense Bedeutung.
Auf der einen Seite ist es der gesetzgeberische Auftrag an die UV-Träger, eine Erwerbsunfähigkeit betroffener Unfallopfer weitgehend zu verhindern bzw. die Erwerbsfähigkeit zu erhalten und wiederherzustellen. Auf der anderen Seite ist der Grad der Erwerbsminderung – also die Erwerbsunfähigkeit vor und nach dem versicherten Unfall – für die Höhe der gewährten Leistungen ausschlaggebend.
In der privaten Unfallversicherung spielen ähnliche Betrachtungen keine Rolle. Das Bild schränkt sich voll und ganz auf das medizinisch „messbare“ Schadensbild ein. Die daraus folgende Invalidität der Versicherten ist ausschlaggebend für die Höhe der Versicherungsleistung – ganz gleich, welche Auswirkungen die Funktionseinschränkung letztlich auf den Alltag der Versicherten hat. Eine Tatsache, aus der sich unterschiedliche Probleme ergeben.
Einerseits kann ein erlittener Gesundheitsschaden zwar zu Einschränkungen im Alltag führen, die Erwerbsfähigkeit aber nur insoweit einschränken, dass sie unter einer MdE von 20 Prozent zurückbleibt, Betroffene also keine Rentenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten. Hintergrund: Für die Bewertung des Grades der Erwerbsminderung wird die Situation nach dem Arbeitsunfall mit jener vor dessen Eintritt verglichen. Einschränkungen, die zum Beispiel im Bereich der unteren Gliedmaßen entstehen, hätten für einen Verwaltungsangestellten weniger starke Auswirkungen als im Fall eines Dachdeckers. Damit ist der Grad der Erwerbsminderung letztlich mit einer individuellen und von Fall zu Fall unterschiedlichen Komponente verbunden. Durch die Konzentration auf die objektiv festzustellende Invalidität lässt sich dieser „Nachteil“ in der freiwilligen Unfallversicherung ausgleichen.
Auf der anderen Seite können geringe Gesundheitsschäden, die in der privaten Unfallversicherung nur einen niedrigen Invaliditätsgrad ausmachen, die Erwerbsfähigkeit deutlich stärker einschränken, in der gesetzlichen Unfallversicherung also zu einer höheren Leistung führen. Betrachtet man beide Szenarien, werden die Probleme offensichtlich, vor denen Verbraucher im Alltag stehen können.
Private Unfallversicherung vs. Berufsunfähigkeitsversicherung
Private Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung konkurrieren seit Jahren miteinander, wenn es darum geht, eine sinnvolle Vorsorge aufzubauen. Einer der großen Vorzüge der Berufsunfähigkeitsversicherung ist und bleibt die Tatsache, dass sie im Ernstfall eine Rente auszahlt, das Einkommen der Versicherten damit also langfristig sichert. Und moderne Verträge sind inzwischen sogar so komfortabel ausgestaltet, dass bereits eine 50-prozentige Berufsunfähigkeit ausreicht, um den Anspruch gegenüber der Versicherung zu begründen.
Die Probleme, welche mit der Berufsunfähigkeit bzw. deren Leistung verbunden sein können, offenbaren sich allerdings erst bei einem Blick auf die Details. Denn was bedeutet Berufsunfähigkeit? Viele Verbraucher denken hier automatisch an die Erwerbsunfähigkeit, die Berufsunfähigkeit geht in ihrer Definition aber einen anderen Weg. Als vollständig berufsunfähig gelten im Sinn der Versicherung Personen etwa dann, wenn sie nicht mehr in der Lage sind – aufgrund von Krankheit, Verletzungen oder Kräfteverfall – ihrem erlernten Beruf oder der ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.
Bereits diese Definition lässt einen gewissen Spielraum offen – etwa im Rahmen eines Verweisungsrechts. Zu einem weiteren Problem kann die Frage werden, wie stark sich die Fähigkeit zur Ausübung des Berufs überhaupt eingeschränkt. Denn ähnlich der Ermittlung einer Erwerbsminderung in der gesetzlichen Unfallversicherung lässt sich dieser Aspekt nicht objektiv ohne Weiteres messen. Die Folge sind mitunter langjährige juristische Auseinandersetzungen zwischen Versicherten, die einen Anspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machen wollen, und den Versicherungen.
Im Gegenzug zu dieser problematischen Situation lässt sich die Invalidität im Sinne der privaten Unfallversicherung wesentlich einfacher bestimmten, ist sie doch anhand objektiver Kriterien messbar – und offensichtlich ein Vorteil der Unfallversicherung. Im Vergleich zwischen Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherung tauchen allerdings auch Nachteile auf, und zwar zuungunsten der privaten Unfallpolicen. Denn wird der Invaliditätsgrad festgestellt, können sich Erkrankungen und Vorschäden mindernd auswirken – die Leistung wird reduziert. Hinzu kommt, dass mit Auszahlung der vereinbarten Versicherungsleistung der Anspruch gegenüber der Assekuranz abgegolten ist. Finanzielle Einschnitte darüber hinaus, welche etwa durch eine Erwerbs-/Berufsunfähigkeit aufgrund des Gesundheitsschadens entstehen, bleiben unberücksichtigt. Die BU-Versicherung spielt dagegen genau hier ihren Trumpf aus – sie leistet über den vereinbarten Zeitraum eine Rente und deckt den laufenden Bedarf der Lebenshaltung.
Zieht man ein Fazit im Vergleich zwischen privater Unfallversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn die Erwerbsunfähigkeit eine besondere Rolle spielt, ist die BU-Versicherung allein aus leistungstechnischer Sicht umfangreicher ausgestattet. Allerdings stehen Versicherte hier – ähnlich der gesetzlichen Unfallversicherung – vor einem grundsätzlichen Problem: Der Leistungsanspruch lässt sich nicht objektiv messen. Und damit steht die Berufsunfähigkeitsversicherung vor einem Dilemma.
Private Unfallversicherung vs. Erwerbsunfähigkeitsversicherung
Die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung bietet Verbrauchern die einzigartige Möglichkeit, mithilfe eines überschaubaren Aufwands für den Ernstfall vorzusorgen. Denn tritt nach den Versicherungsbedingungen Erwerbsunfähigkeit ein, kann der Versicherungsnehmer den vertraglich fixierten Leistungsanspruch geltend machen. Allerdings stoßen Versicherungsnehmer an dieser Stelle mitunter auf Probleme, die sich zu Beginn nicht haben überblicken lassen.
Einer der größten Nachteile: Die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung definiert den Leistungsfall in der Regel sehr streng, Versicherungsnehmer dürfen etwa nicht mehr in der Lage sein, mehr als 3 Stunden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Besonders problematisch werden solche Formulierungen durch die Tatsache, dass hier ein weiteres Problem auf Verbraucher warten kann – die Verweisung auf andere berufliche Tätigkeiten.
Wie diese Tätigkeit letztlich aussieht, bleibt offen und stellt ein Risiko für die Versicherungsnehmer dar – es lässt sich im Vorfeld kaum einschätzen, inwiefern Gesundheitsschäden der Erwerbsunfähigkeitsdefinition aus den Versicherungsbedingungen entsprechen.
Im Vergleich dazu ist die Invaliditätsleistung der privaten Unfallversicherung in medizinischer Hinsicht wesentlich leichter feststellbar. Entsprechend fällt das Urteil in Bezug auf die Leistungssicherheit aus. Allerdings bleibt auch hier ein Problem bestehen: Nach Auszahlung der Invaliditätsleistung erlischt der Leistungsanspruch gegen die Unfallversicherung. Eine Ausnahme wäre die Vereinbarung einer Unfallrente ab höheren Invaliditätsgraden. Hinzu kommt als 2. Problem beim Vergleich die Tatsache, dass Leistungen aus der Unfallversicherung nur dann erbracht werden, wenn Gesundheitsschäden aufgrund eines Unfalls entstehen. In der Erwerbsunfähigkeitsversicherung werden auch Kräfteverfall und Krankheit gedeckt.
Fazit: Eine umfassende Absicherung gegen Erwerbsunfähigkeit ist einer der Aspekte, den die private Unfallversicherung weitgehend außer Acht lässt, sie konzentriert sich auf die Invaliditätsleistung. Einzig eine versicherte Unfallrente kann diesem Anspruch teilweise gerecht werden.