Grundsätzlich verfolgt die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit den Anspruch, finanzielle Einschnitte aufzufangen. Ob die Renten dieser Aufgabe letztlich gewachsen sind, steht auf einem anderen Blatt, da in deren Bemessung unterschiedliche Faktoren einfließen. Hinzu kommt, dass sich die Erwerbsminderungsrente und die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Unfallversicherung deutlich unterscheiden. Aus diesem Grund sollen beide auch separat betrachtet werden.
Erwerbsminderungsrente nach SGB VI
Die Erwerbsminderungsrente nach dem Sozialgesetzbuch 6. Buch ist Bestandteil der §§ 43 ff. SGB VI und besteht in Bezug auf die Leistungen einzig und allein aus der monatlichen Rentenzahlung. Deren Höhe richtet sich nach folgenden Einflussgrößen:
- den Entgeltpunkten,
- dem Zugangsfaktor,
- dem Rentenartfaktor,
- und dem aktuellen Rentenwert.
Alle zusammen werden in einer Formel zusammengefasst und ergeben letztlich den monatlichen Betrag der auszuzahlenden Rente.
Um die Leistungshöhe der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente nach § 43 und § 240 SGB VI nachvollziehen zu können, hier ein detailierter Einblick in die Rentenberechnung. Die Entgeltpunkte ergeben sich aus den Zeiten, für die jeder Versicherte seinen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat.
Die Entgeltpunkte
Dabei wird Betroffenen aber nicht automatisch für jedes Jahr ein Entgeltpunkt gutgeschrieben, deren Höhe richtet sich letztlich nach dem Einkommen, über dessen Höhe der Beitrag zur Rentenversicherung berechnet wird. 1,0 Entgeltpunkte werden beispielsweise für Beitragsjahre gutgeschrieben, in denen Versicherte ein Einkommen erzielt haben, welches dem Durchschnitts-Brutto-Entgelt für das Beitragsjahr entspricht. Für das Jahr 2012 liegt das vorläufige Durchschnittsentgelt beispielsweise bei 32.446 Euro.
Versicherte, die in einem Beitragsjahr lediglich die Hälfte dieses Durchschnitts-Brutto-Entgelts verdienen, erhalten für die Rentenversicherung demnach 0,5 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Erreicht das Einkommen dagegen die Beitragsbemessungsgrenze, beläuft sich die Zahl der Entgeltpunkte auf 2,071.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer scheidet nach einem Unfall aus dem Erwerbsleben 2012 aus. Eingetreten ins Arbeitsleben im Jahr 1985, ergeben sich – bei einem regelmäßigen Einkommen in Höhe der Durchschnittsentgelte 27 Entgeltpunkte. Hat der Arbeitnehmer davon aber 5 Jahre zwei Drittel (3,3 Entgeltpunkte) und 7 Jahre nur 85 Prozent (5,95 Entgeltpunkte) der Durchschnittsentgelte erreicht, ergibt sich eine Summe von 24,25 Entgeltpunkten.
Der Rentenartfaktor
Der Rentenartfaktor ist die eigentliche Größe, welche die halbe und die volle Erwerbsminderungsrente voneinander trennt. Festgeschrieben in §67 SGB VI, erfüllt der Rentenartfaktor eine Steuerungsfunktion. Er trennt Renten, die als Lohnersatz gedacht sind von Renten, die eine Zuschuss- oder Unterhaltsfunktion haben.
Entsprechend lässt sich aus diesem Grundsatz bereits der Rentenartfaktor für die Rentenleistungen wegen Erwerbsminderung ableiten. Da die volle Erwerbsminderungsrente eine Lohnersatzfunktion erfüllt, gilt für sie der Rentenartfaktor 1,0. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat dagegen eine Zuschussfunktion – und erhält für die Berechnung den Rentenartfaktor 0,5. Aus genau diesem Grund entspricht Letztere grundsätzlich 50 Prozent der vollen Erwerbsminderungsrente.
Der Zugangsfaktor
Mit dem Zugangsfaktor berücksichtigt die Rentenversicherung die Tatsache, dass Versicherte vor oder nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze die Rente in Anspruch nehmen. Je nach Situation kann der Zugangsfaktor daher zu Abschlägen oder Zuschlägen führen. Da die Erwerbsminderungsrente – egal, ob teilweise oder voll – in der Regel vor der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen wird, hat der Zugangsfaktor in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung.
Dabei vermindert sich der Zugangsfaktor von 1,0 (für den Eintritt mit der Regelaltersgrenze) um jeden Monat um 0,003. Allerdings kann der Abschlag nicht unbegrenzt angesetzt werden, er ist auf einen Faktor von 0,108 begrenzt, was 10,8 Prozent entspricht.
Tritt beispielsweise die Erwerbsungsfähigkeit am 01. Januar 2013 ein und wird das 65. Lebensjahr erst am 01. Juni 2015 erreicht, wird die Erwerbsminderungsrente nach § 77 SGB VI 29 Monate früher in Anspruch genommen. Daraus ergibt sich ein Abschlag für den Zugangsfaktor von 0,087, was 8,7 Prozent entspricht. Wie wirkt sich der Zugangsfaktor letztlich konkret auf die Rentenhöhe aus?
In der Rentenformel wird der Abschlagsfaktor durch die Multiplikation mit den Entgeltpunkten berücksichtigt. Würde der Arbeitnehmer aus eingangs genanntem Beispiel mit 25,66 Entgeltpunkten zum 01. Januar 2013 – also einem Zugangsfaktor von 0,913 – eine Erwerbsminderungsrente erhalten, ergeben sich daraus 23,42 persönliche Entgeltpunkte.
Eingesetzt in die Formel:
- (Entgeltpunkte x Zugangsfaktor) x Rentenartfaktor x Rentenwert
ergbit sich aus den einzelnen Werten der monatliche Rentenbetrag. Der aktuelle Rentenwert ist an dieser Stelle eine feste Größe, die zum 1. Juli eines Jahres für die alten und neuen Bundesländer festgesetzt wird (Stand für 2012: West = 28,07 Euro; Ost = 24,93 Euro). Er entspricht damit der Wertigekeit eines Entgeltpunktes in der Rentenversicherung.
Mithilfe dieser Formel lässt sich nicht nur die Höhe der Erwerbsminderungsrente bestimmen, es ist auch ein Vergleich zwischen dem Unterschied zur Altersrente möglich.
Beispiel: Angenommen, ein Arbeitnehmer in den alten Bundesländern tritt 1980 ins Arbeitsleben mit 20 Jahren ein. Die Regelaltersgrenze wäre dann im Jahr 2025 erreicht. Im Juni 2012 muss aufgrund einer schweren Krankheit allerdings eine Erwerbsminderungsrente beantragt werden. Da bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze noch mehr als 12 Jahre zurückzulegen wären, werden die 29,23 Entgeltpunkte um einen Abschlag von 0,108 reduziert.
- (29,23 x 0,892) x 1,0 x 28,07 Euro = 731,87 Euro
Unter der Annahme eines konstanten Rentenwerts bis 2025 und eines Erreichens von 0,913 Entgeltpunkten pro Beitragsjahr würde sich die Formel wie folgt verändern:
- (41,1 x 1) x 1,0 x 28,07 Euro = 1.153,68 Euro
Angesichts dieses Zahlenmodells wird die Tragweite der Erwerbsminderungsrente offensichtlich. Einerseits entsprechen 0,913 Entgeltpunkte 2012 einem Einkommen von 29.623,2 Euro bzw. 2.468,6 Euro monatlich – die Rente deckt also gerade knapp 30 Prozent des bisherigen Einkommens. Und auf der anderen Seite liegt die Erwerbsminderungsrente deutlich unter der zu erwartenden Altersrente.
Angesichts dieser Zahlen wird ein weiteres Problem deutlich: Die berechnete Höhe der Rente ohne Abzüge liegt nur knapp über dem sächlichen Existenzminimum von 658 Euro pro Monat. Verschärft wird das Problem dadurch, dass Bezieher von Renten in der Regel auch Versicherte der Kranken- und Pflegeversicherung sind. Deren Beiträge werden von der Brutto-Rente abgezogen und führen letztlich dazu, dass der Rentenzahlbetrag noch niedriger wird.
Renten der gesetzlichen Unfallversicherung
Eine verminderte Erwerbsfähigkeit kann viele Ursachen haben. Vor dem Hintergrund geltender Ansprüche gegen die Sozialversicherung muss in diesem Zusammenhang eine strikte Trennung zwischen der Erwerbsminderungsrente nach SGB VI und den Renten wegen einer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach SGB VII erfolgen.
Zwischen beiden erfolgt eine sachliche Trennung der Zuständigkeit, die sich aus den Ursachen für die Erwerbsminderung ergeben. Die Unfallversicherung leistet nach §§ 7 ff. SGB VII nur dann, wenn die Gesundheitsschäden als Auslöser der verminderten Erwerbsfähigkeit auf einen Arbeits- und Wegeunfall oder eine Berufskrankheit zurückgehen.
Diese Trennung hat für die betroffenen Arbeitnehmer fundamentale Folgen – da sich die Berechnung der Renten deutlich unterscheidet. Während die gesetzliche Rentenversicherung die Entscheidung über eine Erwerbsminderungsrente von strengen Rahmenbedingungen abhängig macht – wie den Umfang der generellen Erwerbsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt – geht die Unfallversicherung einen anderen Weg.
Hier ist entscheidend, wie sich die Erwerbsfähigkeit vor und nach dem Versicherungsfall verändert hat. Bei einer MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) von mindestens 20 Prozent erhalten Betroffene eine Unfallrente. Deren Höhe richtet sich nicht nach Entgeltpunkten, sondern dem Jahresarbeitsentgelt (JAV) aus den letzten 12 Monaten vor dem Versicherungsfall. Bei einer vollen Erwerbsminderung zahlt die gesetzliche Unfallversicherung zwei Drittel des JAV aus, bei teilweiser MdE wird – basiert auf dem Jahresarbeitsverdienst – die Rente entsprechend anteilig ausgezahlt.
Wie kann die Unfallrente in der Praxis aussehen? Angenommen, ein Arbeitnehmer erreicht bis zu einem schweren Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte einen Jahresverdienst von 29.456 Euro. Entsteht volle Erwerbsunfähigkeit, würde sich die Rente auf 19.440,96 Euro pro Jahr bzw. 1.620,08 Euro pro Monat belaufen. Beträgt die MdE dagegen nur 50 Prozent, reduziert sich die Unfallrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf 810,04 Euro monatlich. Pro Jahr beträgt die Rente 9.720,48 Euro.
Zum Vergleich: Der Arbeitnehmer mit einem ähnlich hohen Einkommen und 29,23 Entgeltpunkten erhält eine volle Erwerbsminderungsrente von nur knapp 730 Euro.
Gemessen an der Rentenhöhe ist die gesetzliche Unfallversicherung eher als Lohnersatz geeinigt.
Das Problem: Nur die Rentenversicherung deckt den Fall, dass die verminderte Erwerbsfähigkeit aufgrund einer Erkrankung in der Freizeit entsteht. In der gesetzlichen Unfallversicherung bleibt dieser Bereich unberücksichtigt.