Das Zusammentreffen mehrerer Renten
Der Anspruch auf die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kann auf unterschiedliche Art und Weise entstehen. Einerseits durch Krankheit, aber auch durch Unfall und einen allgemeinen Kräfteverfall. Betrachtet man die Sozialversicherung genauer, kann es durchaus zu Situationen kommen, in denen die Erwerbsminderungs- und Unfallrente zusammenfallen. Was erwartet Betroffene in der Praxis und ist mit finanziellen Einschnitten zu rechnen?
Dass die Renten unterschiedlicher Zweige der Sozialversicherung zusammenfallen, ist durchaus kein Einzelfall. Grundsätzlich gilt für diesen Fall die Anrechnung der Ansprüche aufeinander. Fließen Versicherten ausschließlich Renten nach dem 6. Buch zu, erhalten sie die höchste Rente, bei gleichen Ansprüchen zählt nach § 89 SGB VI ein Rangfolgeschema.
Werden dagegen aus der Renten- und Unfallversicherung Leistungen bezogen, gestaltet sich deren Aufrechnung etwas komplexer. Beide Ansprüche werden miteinander addiert, die Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung aber oberhalb eines Grenzbetrages gekappt. Letzterer entspricht 70 Prozent des Jahresarbeitsverdienstes der Unfallversicherung. Bei einem JAV in Höhe von 34.760 Euro würde der monatliche Grenzbetrag also bei 2.027,66 Euro liegen. Der volle Grenzbetrag steht aber nur im Fall der vollständigen Erwerbsminderung zur Verfügung, da er vor seiner Anwendung mit dem Rentenartfaktor nach § 93 Abs. 3 SGB VI zu multiplizieren ist.
Hinweis: § 93 SGB VI berücksichtigt anhand der individuellen Situation Betroffener gewisse Freibeträge in der Ermittlung anrechnungsfähiger Rentenbeträge, wenn etwa ein bestimmter MdE-Grad erreicht und dieser aufgrund vorgeschriebener Diagnosen entstehen (BK-Nummern 4101, 4102 oder 4111)
Erwerbsminderung und Grundsicherung
Einschränkungen in der Erwerbsfähigkeit und die Erwerbsminderungsrente spielen auf den ersten Blick nur für Beschäftigte eine Rolle. In der Praxis kann aber durchaus auch ein Zusammenhang mit anderen Lebensbereichen entstehen – wie Leistungen nach dem 2. Sozialgesetzbuch. Die Rede ist hier vom ALG II und darüber hinaus auch der Grundsicherung. Dass die Erwerbsunfähigkeit in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, ist einer einfachen Tatsache geschuldet. Leistungen nach dem SGB II kann nur in Anspruch nehmen, wer im Sinne des Gesetzes erwerbsfähig ist.
Wird festgestellt, dass Betroffene aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erwerbsfähig sind, fallen für diesen Personenkreis Leistungen wie das ALG II aus. An deren Stelle tritt ein Anspruch auf Grundsicherung, wenn das 18. Lebensjahr vollendet wurde und Bedürftigkeit vorliegt. Bezüglich der Leistungshöhe entspricht die Grundsicherung dem Regelbedarf der Sozialhilfe und liegt derzeit in der Regelbedarfsstufe 1 bei 374 Euro. Hinzu kommen:
- angemessene Aufwendungen für die Unterkunft,
- Leistungen für eventuell vorhandenen Mehrbedarf,
- sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, Zusatzbeiträge und Vorsorgebeiträge
Darüber hinaus können unter bestimmten Voraussetzungen Darlehen beantragt und gewährt werden. Ein Rückgriff auf die Einkommen der Eltern und Kinder findet in diesem Zusammenhang übrigens nicht statt. Ausnahme: Deren Einkommen übersteigt die Grenze von 100.000 Euro im Jahr.
Übrigens: Grundsicherung als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts kommt nicht nur in Betracht, wenn durch den Träger der Sozialhilfe die Feststellung der vollen Erwerbsminderung angestrebt wurde. Auch wenn eine durch die Rentenversicherung bereits bewilligte EU-Rente nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht, kommt die Grundsicherung zum Schließen der Lücke zwischen Einkommen und Existenzminimum in Betracht.
Feststellung der Erwerbsminderung
Für die Feststellung der Erwerbsminderung ist auch im Fall der Grundsicherung die gesetzliche Rentenversicherung verantwortlich. Allerdings wird sie in diesem Fall nicht aufgrund eines Antrags von Betroffenen tätig. Sprechen die Anzeichen in den Augen eines Trägers der Sozialhilfe für die volle Erwerbsminderung von Leistungsbeziehern, strebt dieser die Feststellung über die Rentenversicherung auf Grundlage von § 45 SGB XII an. Die Feststellung entfällt, wenn der Rentenversicherungsträger bereits Voraussetzungen auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung untersucht und festgestellt hat.
Hinweis: Grundsicherung nach SGB XII kann nur beim Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung in Anspruch genommen werden, da bei teilweiser Erwerbsminderung Betroffene zumindest für bis zu sechs Stunden dem Arbeitsmarkt nach wie vor zur Verfügung stehen.