Erwerbsunfähigkeitsversicherung – die kleine BU-Versicherung
Obwohl auf den ersten Blick und auch aus Sicht von Verbraucherschützern eines der wichtigsten Vorsorgeinstrumente, ist die Berufsunfähigkeitsversicherung in vielen Haushalten ein Fremdwort. Eine Tatsache, die mehrere Gründe haben kann. Einerseits erkennen Haushalte fälschlicherweise nicht die Notwendigkeit zur Vorsorge. Auf der anderen Seite wird vielleicht deren Abschluss ins Auge gefasst. Aufgrund verschiedener Umstände unterbleibt der Griff zu diesem Sicherheitsinstrument dann aber doch.
Eine Ursache ist die Höhe des regelmäßig zu entrichtenden Beitrags. Gerade Versicherungsnehmer in höheren Berufsklassen müssen mitunter tief in den Geldbeutel greifen, um sich gegen das Risiko Berufsunfähigkeit abzusichern. Bei einem Nettoeinkommen von beispielsweise 1.500 Euro kann eine Prämie in Höhe von 100 Euro oder mehr zu einer echten Belastung werden.
Auf der anderen Seite beobachten die Gesellschaften sehr genau, welche Risiken sie in die BU-Versicherung aufnehmen. Bestimmte Vorerkrankungen und/oder andere Risikofaktoren führen dann mitunter dazu, dass ein bereits hoher Beitrag durch Risikozuschläge noch teurer wird oder es vielleicht gar zu einer Ablehnung des Antrags kommt. Aus Sicht der Versicherten bleiben dann nur wenige Alternativen – wie etwa die Absicherung einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung. Lässt sich in der Praxis die Ansicht von der EU-Versicherung als kleine Berufsunfähigkeitsversicherung allerdings halten?
Auf den ersten Blick scheinen sich beide Vorsorgeinstrument zu ähneln. Allerdings werden die Grenzen schnell schärfer, sobald man sich eingehender mit den einzelnen Details der Produkte befasst. Eine der wohl wichtigsten Unterscheidungen betrifft den Anspruchsgrund auf die Versicherungsleistungen.
Erwerbsunfähigkeitsversicherung vs. BU-Versicherung
In der Berufsunfähigkeitsversicherung entsteht der Leistungsanspruch dann, wenn der Versicherte in einem bestimmten Umfang nicht mehr in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen. In der Regel wird die BU-Versicherung ab einer Berufsunfähigkeit von 50 Prozent wirksam. In der Erwerbsunfähigkeitsversicherung gestaltet sich die Situation anders.
Versichert ist hier die Erwerbsfähigkeit. Was bedeutet dies in der Praxis? Tritt die Situation ein, dass der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, wegen Krankheit, Kräfteverfall oder Körperverletzung einer Erwerbstätigkeit von mehr als 3 Stunden nachzugehen, liegt Erwerbsunfähigkeit im Sinn der Versicherung vor. Verschärft wird diese Tatsache zusätzlich dadurch, dass sowohl:
- die berufliche Tätigkeit,
- die gesellschaftliche Stellung (Einkommen, Ansehen der Tätigkeit),
- und die Kenntnisse und Fähigkeiten
der versicherten Person keine Rolle spielen. In Versicherungsbedingungen kann sogar darauf verwiesen werden, dass selbst selbständige Tätigkeiten in die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeit einzubeziehen sind.
Welche Folgen ergeben sich aus diesen strengen Vorgaben? Betrachtet man die Abgrenzung von Erwerbsunfähigkeit und Erwerbsfähigkeit auf Grundlage einer täglichen Arbeitszeit von 3 Stunden, legt die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung sogar strengere Regeln an als die gesetzliche Rentenversicherung. Erkennt die Letztere für einen Zeitraum zwischen 3 – 6 Stunden täglicher Arbeitszeit doch zumindest einen teilweisen Rentenanspruch an. Wer sich für eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung entscheidet – aus welchen Gründen auch immer – muss sich dieser Tatsache voll bewusst sein.
Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung ist angesichts der Hürden, vor denen Versicherungsnehmer stehen, durchaus nicht die kleine Berufsunfähigkeitsversicherung, die sich vielleicht nur in einigen wenigen Details von dieser unterscheidet. Vielmehr kann die EU-Versicherung nur ein Minimum der Schutzwirkung entfalten, welche auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entfällt. Damit dürfte auch die Schlussfolgerung klar sein: Wer als Verbraucher die Möglichkeit zum Abschluss einer BU-Versicherung hat, sollte diese Chance nutzen.
Denn je früher die Entscheidung zu einem wirksamen Schutz und Vorsorgeinstrument fällt, umso niedriger fallen nicht nur die finanziellen Belastungen aus. Häufig nimmt mit dem Alter die Schwere von Erkrankungen zu. Junge Antragsteller ohne Vorerkrankungen stoßen damit oft auf weniger Probleme bei der Antragstellung.
EU-Versicherung: Das Kleingedruckte lesen
In einem Punkt unterscheiden sich die Berufsunfähigkeits- und die Erwerbsunfähigkeitsversicherung allerdings nicht – dem Tipp zum genauen Lesen der Versicherungsbedingungen und Antragsformulare. Nur anhand dieser lassen sich Klippen umschiffen, an denen der Versicherungsschutz im Ernstfall zu zerschellen droht.
Beispielsweise schließen die Gesellschaften über ihre Versicherungsbedingungen bestimmte Ursachen für den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit aus, unter denen keine Leistungen erbracht werden. Ebenfalls schwerwiegende Folgen können Verletzungen von Mitwirkungspflichten haben, was zur Leistungsminderung oder dem Versagen der Leistungen führen kann. Diese Stolpersteine sind – zumindest beim Blick in die Versicherungsbedingungen – noch relativ leicht zu erkennen. Deutlich schwerer fällt die Einschätzung in Bezug auf die Gesundheitsprüfung vielen Versicherungsnehmern.
Leider ist genau damit des Öfteren Ärger zwischen Gesellschaft und Versicherten verbunden. Hintergrund: Nach den Regelungen des VVG (Versicherungsvertragsgesetz) sind Antragsteller zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von Gesundheitsfragen verpflichtet. Deren Tragweite wird aber oft erst nach Einritt des Ernstfalls offensichtlich. So gilt eine Zahnbehandlung nicht erst dann als begonnen, wenn der behandelnde Zahnarzt die ersten Maßnahmen aus seinem Heil- und Kostenplan durchführt, sondern bereits mit der ersten Begutachtung zur Diagnosestellung.
Die Folge: Wer beispielsweise Zähne entfernen lässt und auf den Zahnersatz bei bewilligtem Heil- und Kostenplan verzichtet, muss die „abgebrochene“ Behandlung in den Gesundheitsfragen – sofern erforderlich – angeben. Unterbleibt die Angabe, würde der Versicherer hier auf eine Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten plädieren und im schlimmsten Fall (z. B. bei Arglist) vom Vertrag zurücktreten können.