Die gesetzliche Unfallversicherung hat nicht nur die Aufgabe, Betroffenen im Fall des Arbeitsunfalls Hilfe zu leisten, sie erfüllt einen wesentlichen Zweck im Bereich der Prävention. Hinzu kommt, dass die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung auch dann aktiv werden, wenn Beschäftigte unter einer sogenannten Berufskrankheit leiden. Wie und in welcher Form die Unfallversicherung ihre einzelnen Aufgabenbereiche abdeckt, entscheiden nicht deren Träger in Eigenregie, sondern sie sind an einen festen gesetzlichen Rahmen gebunden.
Kern dieses Gerüsts, an dem sich der Alltag in der gesetzlichen Unfallversicherung orientiert, ist das 7. Sozialgesetzbuch, welches sowohl den Geltungsbereich, die Leistungssektoren oder Zuständigkeiten und Tragung der Beiträge im Einzelnen regelt. Hinzu kommen weitere Verordnungen, welche unter anderem der Unfallverhütung dienen.
Diese Vorschriften werden – je nach Trägerschaft der Unfallversicherung – als BGV (BG-Vorschrift; für den Geltungsbereich der gewerblichen Berufsgenossenschaften) oder GUV-V (GUV-Vorschrift; für den Geltungsbereich der Unfallkassen) bezeichnet. Darüber hinaus wird speziell der präventive Bereich auch von Gesetzen, wie dem ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz bzw. Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit) berührt.
Ein weiterer wesentlicher Teilbereich des gesetzlichen Rahmens, in dem sich die gesetzliche Unfallversicherung bewegt, betrifft die Berufskrankheiten, welche sich unter anderem in der Berufskrankheiten-Verordnung wiederfinden, die damit zu einem Bestandteil der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die GUV wird. Und nicht zuletzt spielen natürlich auch die Satzungen der einzelnen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen eine Rolle in der Betrachtung des gesetzlichen Rahmens für die Unfallversicherung.
Entwicklung der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten für den Zeitraum zwischen 2000 und 2010 (Quelle: Zahlenberichte Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.)
Das 7. Sozialgesetzbuch
Wesentlicher Kern des gesetzlichen Rahmens, an dem sich die Unfallversicherung orientiert, ist das 7. Sozialgesetzbuch. Dessen Bezeichnung täuscht viele Bürger darüber hinweg, dass die gesetzliche Unfallversicherung nach der Krankenversicherung der 2. Bereich der Sozialversicherungen war, welcher durch die damalige Reichsregierung Ende des 19. Jahrhunderts verabschiedet wurde.
Über das 7. Sozialgesetzbuch wird nicht nur geregelt, welche Personen über die Träger der Unfallversicherung abgesichert sind, sondern auch, welche Leistungen, wie Entschädigungen, medizinische und berufliche Rehabilitationen, Versicherte erhalten und wie die Unfallversicherung im Alltag als solche organisiert ist. Zudem wird über das SGB VII präzisiert, in welchem Umfang Unternehmer versichert werden bzw. wie Haftungsfragen letztlich geregelt sind.
Geschichte des SGB VII
In seiner heutigen Fassung ist das SGB VII im Jahr 1996 entstanden und trat zum 1. Januar 1997 in Deutschland in Kraft. Zuletzt geändert wurde das Siebte Buch zur Sozialversicherung am 22. Dezember 2011. Vor dem Inkrafttreten des SGB VII wurde die gesetzliche Unfallversicherung durch die Reichsversicherungsvordnung geregelt, genauer durch das 3. Buch.
Dessen Entwicklungsgeschichte reicht bis ins Jahr 1911, als die ursprüngliche Fassung der Reichsversicherungsordnung entstand, die bis zum 1. Januar 1914, also kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs in Kraft treten sollte. Aufgeteilt in sechs Bücher zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung, spiegelte die Reichsverordnung die Entstehungsgeschichte selbiger wider. So befasste sich nach den allgemeinen Vorschriften, die im 1. Buch umrissen wurden, das 2. Buch der Reichsverordnung mit der Krankenversicherung, die Unfallversicherung war Bestandteil des 3. Buches und die Rentenversicherung als dritter Zweig der Sozialversicherung wurde im Vierten Buch festgehalten.
Dass die Reichsversicherungsordnung trotz der frühen Fassung bereits einem hohen gesetzgeberischen Standard genügte, zeigt die Tatsache, dass die Verordnung über einen langen Zeitraum wesentliche Basis der deutschen Sozialversicherung blieb und nicht nur das Ende des Kaiserreichs überdauerte, sondern auch Weimarer Republik und das 3. Reich. Im späten 20. Jahrhundert wurde allerdings zunehmend die Notwendigkeit zu Reformen klar, die Entwicklung gipfelte schließlich in der Einführung der heute geltenden Sozialgesetzbücher.
Trotzdem ist die Reichsversicherungsordnung in einigen Bereichen heute noch gültig.
Das Siebente Sozialgesetzbuch im Überblick:
- 1. Kapitel: Aufgaben, versicherter Personenkreis, Versicherungsfall (umfasst die §§ 1 – 13)
- 2. Kapitel: Prävention (umfasst die §§ 14 – 25)
- 3. Kapitel: Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls (§§ 26 – 103)
- 4. Kapitel: Haftung von Unternehmern, Unternehmensangehörigen und anderen Personen (umfasst die §§ 104 – 113)
- 5. Kapitel: Organisation (umfasst die §§ 114 – 149a)
- 6. Kapitel: Aufbringung der Mittel (umfasst die §§ 150 – 187a)
- 7. Kapitel: Zusammenarbeit der Unfallversicherungsträger mit anderen Leistungsträgern und ihre Beziehungen zu Dritten (umfasst die §§ 188 – 198)
- 8. Kapitel: Datenschutz (umfasst die §§ 199 – 208)
- 9. Kapitel: Bußgeldvorschriften (umfasst die §§ 209 – 211)
- 10. Kapitel: Übergangsrecht (umfasst die §§ 212 – 221b)
- 11. Kapitel Übergangsvorschriften zur Neuorganisation der gesetzlichen Unfallversicherung (umfasst die §§ 222 – 224)
- Anlagen
Die Berufskrankheiten-Verordnung
In der gesetzlichen Unfallversicherung gehören nicht nur Unfälle am Arbeitsplatz, Wegeunfälle und die Prävention zu den Hauptaufgaben der Versicherungsträger, sondern auch Leistungen, die als Folge von Berufskrankheiten entstehen. Grundlage dieser Aufgabenverteilung ist unter anderem § 9 des 7. Sozialgesetzbuches, welcher nicht nur umreißt, dass die Träger der Unfallversicherung nach § 9 Abs. 8 SGB VII im Bereich Forschung mitzuarbeiten haben, sondern auch, dass die Art der Berufskrankheiten von der Bundesregierung über eine Rechtsverordnung festgelegt wird. Damit ist das 7. Sozialgesetzbuch auch die Rechtsgrundlage der Berufskrankheiten-Verordnung.
Die Berufskrankheiten-Verordnung geht auf das Jahr 1968 zurück und wurde im Jahr 1997 neu gefasst. Neben der Liste aktuell anerkannter Berufskrankheiten, bei deren Auftreten ein Leistungsfall für die gesetzliche Unfallversicherung entsteht, enthält die Verordnung auch Verpflichtungen, welche den Unfallversicherungsträgern Maßnahmen auferlegen, die der Verhinderung von Berufskrankheiten dienen sollen.
Darüber hinaus gesteht die Berufskrankheiten-Verordnung betroffenen Versicherten Übergangsleistungen in Form von einmaligen bzw. rentenartigen Geldleistungen zu.
Entwicklung einiger ausgesuchter Berufskrankheiten für die Jahre 2008 – 2010 (Quelle: Zahlenberichte Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.)
Ähnlich der aktuellen Sozialgesetzbücher ist auch die Berufskrankheiten-Verordnung eine Entwicklung der Bundesregierung in den 1990er Jahren. Allerdings wurden Berufskrankheiten bereits weit vorher in der Unfallversicherungs berücksichtigt. Bereits 1925 wurden einige dieser beruflich bedingten Krankheitsbilder über die Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche Berufskrankheiten erfasst und in der Sozialversicherung berücksichtigt.
Hinweis: Nach den Regelungen des § 9 Abs. 2 SGB VII können Krankheitsbilder als Berufskrankheit anerkannt werden, obwohl sie nicht explizit in der Berufskrankheiten-Verordnung geführt werden. Bedingung ist allerdings, dass die Krankheitsbilder die Bedingungen für eine Berufskrankheit erfüllen (Erkrankungen, deren Ursachen die Versicherten durch die Tätigkeit in erheblich höherem Umfang als die Gesamtbevölkerung ausgesetzt sind).