Allergische Reaktion auf ein Lebensmittel gilt als Unfall

OLG München (Az. 14 U 2523/11)

Allergische Reaktion auf ein Lebensmittel gilt als Unfall gemäß der privaten Unfallversicherung

Schließt ein Verbraucher eine private Unfallversicherung ab und erfährt aufgrund des Verzehrs eines Lebensmittels eine allergische Reaktion, so ist dies laut Meinung des Oberlandesgerichts München als Versicherungsfall anzusehen. Die Unfallversicherung muss somit ihre Leistung auszahlen. Die Frage, welche Schadensfälle als Unfall gemäß der Regularien einer privaten Unfallversicherung gelten, war in der Vergangenheit bereits des Öfteren Bestandteil bzw. Grundlage entsprechender Gerichtsverfahren. Genau um diese Frage ging es auch in einem Verfahren, das vor dem OLG München verhandelt wurde. Hier der genaue Sachverhalt:

Tod nach allergischer Reaktion

Die Mutter eines geistig behinderten Kindes hatte eine Unfallversicherung für sich und ihr Kind abgeschlossen. Nachdem das Kind nusshaltige Schokolade verzehrt hatte, reagierte es darauf mit einem allergischen Schock und verstarb in der Folge. Die Mutter begehrte daraufhin die Auszahlung der Versicherungsleistung in Höhe von 27.000 Euro, welche in der Police für die Erben eines durch einen Unfall verstorbenen Versicherten vorgesehen war. Die Versicherung allerdings verweigerte die Auszahlung der Versicherungsleistung, da ihrer Meinung nach in diesem Fall kein Unfall vorliege und zudem die Todesursache des Kindes nicht einwandfrei mit dem Verzehr der nusshaltigen Schokolade in Verbindung zu bringen sei. Dies wollte die Mutter nicht hinnehmen und verklagte den Versicherungskonzern.

Erste Instanz erkennt Vergiftung nicht als Unfall an

Zunächst wurde der Fall von dem Landgericht Memmingen verhandelt. Hier wiesen die Richter die Klage der Mutter ab, da ihrer Meinung nach der allergische Schock als Reaktion nicht unter den Unfallbegriff falle. Insbesondere betonten die Richter die Tatsache, dass der willensgesteuerte Verzehr der betreffenden Schokolade kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis darstelle, welches die Einordnung als Unfallbegriff voraussetze. Zudem scheide die Definition als Unfall aus, da Vergiftungen laut Versicherungsvertrag ausschließlich bei Kindern bis zum Alter von 14 Jahren mitversichert seien, das hier verstorbene Kind jedoch zum Todeszeitpunkt bereits 15 Jahre alt gewesen sei.

Zweite Instanz kippt Urteil des LG Memmingen

Die Mutter wollte die Entscheidung des Landgerichts Memmingen nicht hinnehmen, wodurch der Fall in nächster Instanz vor dem Oberlandesgericht München verhandelt wurde.Hier waren die Richter anderer Meinung und hoben das Urteil der Vorinstanz auf. Es wurde im Laufe des Prozesses ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt, der den Tod des Kindes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den Verzehr der nusshaltigen Schokolade zurückführte.

OLG präzesiert Definition des Begriffs „Unfall“

Im weiteren Verlauf des Verfahrens kamen die Richter am Oberlandesgericht zur Ansicht, dass der versehentliche oder unbewusste Verzehr von Allergenen, die in anderen Nahrungsmitteln enthalten sind, im Sinne des Privatversicherungsrechts und im Sozialversicherungsrecht einen versicherten Unfall darstelle. Auch die übliche Reduzierung des Unfallbegriffs auf Ereignisse, die von außen auf den Körper einwirken, käme hier nicht zur Anwendung. Zudem sei der Begriff „äußere Einwirkung“ jeweils Auslegungssache. In dem hier vorliegenden Fall könne man davon ausgehen, dass die allergenen Substanzen sehr wohl von außen auf den Körper des Kindes eingewirkt hätten, nämlich über die Aufnahme der Mundschleimhäute. Ein abschließendes Urteil in diesem Fall ist noch nicht gesprochen, da die Versicherungsgesellschaft die Revision vor dem Bundesgerichtshof beantragte und diese entsprechend zugelassen wurde. Erst wenn das dortige Urteil gesprochen ist, kann der Fall als endgültig entschieden angesehen werden.     Button Versicherungsvergleich