Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az. L 3 U 151/08)
Nur der direkte Weg zum Betriebsziel ist durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt
Inzwischen dürfte hinlänglich bekannt sein, dass eine Unfallversicherung – ob gesetzlich oder privat – nur dann ihre Leistung vollständig auszahlt, wenn sich der Versicherte auf einem direkten Weg zur Arbeitsstelle bzw. zum Betriebsziel befunden hat. Doch inwiefern gilt diese Regelung für den Fall, dass sich der Versicherte auf diesem Weg verfahren hat – z. B. durch eine Ablenkung, eine Unachtsamkeit oder schlichtweg Orientierungslosigkeit?
Mit einem solchen Fall befasste sich vor kurzer Zeit das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. Die Details: Ein Versicherter, selbstständig als Transportunternehmer, befand sich auf dem Rückweg zu seiner Betriebsstätte, nachdem er ein neu erworbenes Fahrzeug für sein Unternehmen erworben hatte. Während dieser Fahrt verfuhr er sich aus Unachtsamkeit zunächst und entscheid sich daher, ein Stück auf der Autobahn entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung zu fahren, um seinen Fehler zu korrigieren.
Sein Pech: Genau auf dieser Strecke wurde er in einen Unfall verwickelt, bei dem er und seine Beifahrerin verletzt wurden. Die Verletzung des Versicherten erwies sich als so schwerwiegend, dass ihm ein Arm amputiert werden musste.
Nachdem die gesetzliche Unfallversicherung mit der Begründung, die gefahrene Strecke sei nicht als direkter Weg zur Betriebsstätte einzuordnen, eine Zahlung der Versicherungsleistung verweigerte, reichte der Versicherte schließlich Klage vor dem zuständigen Sozialgericht ein. Das Gericht stellte fest: Der Kläger hat das Befahren des "falschen" Weges durch eine Unachtsamkeit – es kam heraus, dass er zum betreffenden Zeitpunkt ein Gespräch mit seiner Beifahrerin führte – selbst verschuldet. Es liegt daher eine selbst verschuldete Unterbrechung der betrieblichen Fahrt vor, bei der die Versicherung nicht zur Leistung verpflichtet ist.
Laut der Richter des Landessozialgerichts trägt zur Urteilsentscheidung auch bei, dass der Kläger nicht etwa eine Schleife gefahren sei, um wieder in die ursprüngliche Richtung des Betriebsziels zu gelangen, sondern den Weg in die komplett entgegengesetzte Richtung nahm. Weiter betonten die Richter, dass, wenn sich der Umweg lediglich aufgrund von Dunkelheit, schlechter Beschilderung, Unwetter, Neben oder Ähnlichem ergeben hätte, durchaus die Chance bestanden hätte, dass die gesetzliche Unfallversicherung greift. Da im vorliegenden Fall jedoch der Kläger selbst durch sein Fehlverhalten die Routenabweichung verursacht habe, bestand auf dem besagten Streckenabschnitt nicht mehr der Charakter einer betrieblichen Fahrt.
Was kann der Verbraucher aus diesem Urteil lernen?
Zunächst einmal gilt: Wer sich auf einer betrieblichen Fahrt befindet, also beispielsweise zur Arbeitsstätte oder in betrieblichem Auftrag, sollte möglichst genau auf den Verkehr achten und sich so wenig wie möglich ablenken lassen. Das gilt besonders für Strecken, die man noch nicht genau kennt. Schon kleine Unachtsamkeiten wie ein Gespräch mit dem Beifahrer können dafür sorgen, dass man sich verfährt. Falls es doch einmal dazu kommt, gilt es, Ruhe zu bewahren. In einem solchen Fall sollte man den kürzest möglichen Umweg zum eigentlich vorgesehenen Ziel wählen, ohne dabei in eine entgegengesetzte Richtung zu fahren.
Hilfreich kann es außerdem sein, zusätzlich eine private Unfallversicherung mit erweitertem Leistungsumfang abzuschließen. Es gibt inzwischen Policen, die auch kleinere Umwege in den Betriebsweg mit einbeziehen und daher auch in „verfahrenen“ Situationen ihre Leistung an das Mitglied auszahlen. Das kann sich wirklich lohnen.