Unfall im Sinne der Unfallversicherung

Oberlandesgericht Karlsruhe – Az. 12 U 12/13

Wodurch zeichnet sich ein versicherter Unfall im Sinne der Unfallversicherung aus?

Jeder Mensch kennt den Begriff Unfall. Doch was ist darunter genau zu verstehen? Den meisten Befragten wird hierbei zunächst der klassische Autounfall ins Gedächtnis kommen. Auch den Haushaltsunfall, zum Beispiel ein Sturz von einer Leiter, wird sicherlich jeder in die Kategorie Unfall einordnen. Doch es gibt Begebenheiten, bei denen ist das Ganze nicht so einfach. Wie verhält es sich beispielsweise, wenn man sich an den Dornen einer Rose sticht? Liegt in diesem Fall ein Unfall vor? Einen derart gelagerten Fall mit besonders tragischem Ausgang musste kürzlich das Oberlandesgericht Karlsruhe verhandeln:

Kleiner Unfall mit tödlichen Folgen

Als Klägerin vor Gericht trat die Ehefrau eines Verstorbenen auf, der eine Versicherung für den Fall des Unfalltodes abgeschlossen hatte. Im Falle des Todes sollte eine garantierte Leistung von 15.000 Euro ausgezahlt werden. Als Bezugsberechtigte war die Klägerin im Versicherungsvertrag vorgesehen. Während dem Schneiden eines Rosenstrauches verletzte sich der Ehemann der Klägerin Ende des Jahres 2010 an einem Mittelfinger. Die Wunde heilte im Anschluss nicht ab, so dass sich der Verletzte in stationäre Behandlung begab. Hier wurde eine Infektion mit einer bestimmten Art von Staphylokokken festgestellt. Nachdem die medizinischen Maßnahmen nicht griffen, musste dem Ehemann der Klägerin ein Teil des Mittelfingers amputiert werden. Trotzdem verschlechterte sich sein Zustand zunehmend. Die Bakterien breiteten sich immer weiter im Körper des Betroffenen aus, so dass dieser letztendlich im April 2011 aufgrund einer Sepsis verstarb.

Versicherung lehnt Auszahlung bei kleinen Unfällen ab

Nach dem Tod des Mannes forderte die Ehefrau die Versicherungsleistung. Die Unfallversicherung verweigerte dies jedoch, da ihrer Meinung nach durch den Stich eines Rosendorns kein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorgelegt habe. Hierzu verwies die Versicherungsgesellschaft auf ihre Versicherungsbedingungen, nach denen ein Unfall dann vorliegt, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis – auch als Unfallereignis bezeichnet – unfreiwillig eine Beeinträchtigung bzw. Schädigung ihrer Gesundheit erleidet. In einem weiteren Paragraph der Versicherungsbedingungen war zudem festgelegt, dass die Versicherung dann ihre Leistung auszahlt, wenn Krankheitserreger aufgrund einer unter die Versicherungsbedingungen fallenden Unfallverletzungen in den Körper des Versicherten gelangt sind.

Kleinere Verletzungen rechtfertigen Leistungsausschluss

Allerdings wurde diese Klausel insofern eingeschränkt, als dass Haut- oder Schleimhautverletzungen nicht als Unfallfolge gelten, sofern sie geringfügig sind. In diesem Zusammenhang betonte die Versicherung, dass der Stich durch die Dornen der Rose so geringfügig sei, dass die damit einhergehende Verletzung nicht als Unfallfolge bezeichnet werden kann. Somit würde kein Unfall vorliegen und eine Ausschüttung der Versicherungsleistung wäre ausgeschlossen. Die Klägerin wollte diese Ausführungen der Versicherung nicht hinnehmen und verklagte das Unternehmen auf Auszahlung der Versicherungsleistung im Zusammenhang mit dem Todesfall ihres Mannes.

Landgericht Karlsruhe bestätigt Versicherung

Zunächst wurde der Fall vor dem Landgericht Karlsruhe verhandelt, hier wiesen die Richter die Klage zurück. Begründung des Gerichts: Die Klägerin könne nicht nachweisen, dass der Mann eine Verletzung beim Stich durch die Dornen der Rosen erlitten habe, welche über die Definition einer geringen Hautverletzungen hinausgehe. Somit würde die Frage offen bleiben, ob es sich bei dem hier besprochenen Sachverhalt um einen Unfall gemäß den Versicherungsbedingungen handele. Die Klägerin wollte dieses Urteil nicht hinnehmen und ging in Berufung, der Fall wurde in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe erneut verhandelt.

Oberlandesgericht Karlsruhe unterstützt Klägerin

Hier folgten die Richter den Ausführungen der Klägerin und verurteilten die Versicherung, 15.000 Euro nebst Zinsen an diese zu zahlen und die Kosten für die gerichtliche Auseinandersetzung zu übernehmen. Nach Meinung des Gerichts liege hier ein Unfall vor, da auch bei einem Stich durch einen Rosendorn ein Zusammenstoß mit einer Sache vorliege. In diesem Zusammenhang könne davon ausgegangen werden, dass der Versicherte nicht absichtlich in den Dorn gegriffen hat. Nur wenn dies der Fall gewesen sei, könne eine Anerkennung als Unfall ausgeschlossen werden. Unstrittig sei zudem, dass die Infektion, an der der Versicherte letztendlich verstorben ist, auf den Rosendorn zurückzuführen ist.

Kleinere Verletzungen müssten durch Versicherung als solche nachgewiesen werden

Im weiteren Verlauf bezogen sich die Richter auch auf die genannte Versicherungsklausel, nach der Krankheitserreger, die durch lediglich geringfügige Haut- oder Schleimhautverletzungen in den Körper eingedrungen sind, einen Ausschluss des Versicherungsschutzes zur Folge haben. Hierzu merkte das Gericht an, dass bei einer Verletzung an einem Rosendorn es nicht grundsätzlich gesichert sei, dass lediglich Haut- oder Schleimhautschichten durchstochen worden sind. Es wäre durchaus möglich, dass der Stich auch tiefere Gewebeschichten verletzt habe. Sofern die Versicherung von diesem Umstand nicht ausgehe, müsse sie den entsprechenden Beweis erbringen. Dies sei im hier vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen.